Fluorchinolone
Nebenwirkungen
Eine Hilfeseite - Verein VFCN
Ärzte und Spezialisten
Viele Betroffene stellen sich die Frage nach geeigneten Fachleuten. Angesichts der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse sollten Ärztinnen und Ärzte eigentlich über das spezifische Krankheitsbild Bescheid wissen. Doch genau hier liegt das Problem: Die meisten betrachten sich nicht als Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler und wenden meist nur das Wissen an, das sie während ihrer Ausbildung erworben haben. Neue Erkenntnisse zu seltenen oder noch unzureichend erforschten Nebenwirkungen bleiben daher oft unbeachtet. Betroffene werden so zum „schwarzen Schwan“ – einem seltenen Ereignis mit extremen Konsequenzen.
Das Ignorieren oder Bestreiten von FC-induzierten Nebenwirkungen kann fatale Folgen haben. Häufig werden falsche Massnahmen ergriffen, die die Symptome zusätzlich verschlimmern – etwa die Verschreibung von Cortison oder die Empfehlung körperlicher Aktivität statt Schonung der betroffenen Sehnen und Gelenke.
Fluorchinolon-induzierte Prozesse sind hoch komplex und erfolgen grösstenteils auf zellulärer, enzymatischer und epigenetischer Ebene. Das erschwert sowohl die Diagnose als auch die Therapie. Umso wichtiger ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Patientinnen und Patienten, gestützt auf die aktuell bekannten Diagnose- und Therapiemöglichkeiten. Betroffene können ihren Körper in der Regel gut einschätzen und sind durchaus in der Lage, wissenschaftliche Texte über FQAD zu verstehen. Sie brauchen jedoch Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, sich auf sie einzulassen und sie als Sparringpartner unterstützen.
Empfehlenswerte Anlaufstellen
Dr. Stefan Pieper (Konstanz, D): Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Behandlung Fluorchinolon-induzierter Beschwerden und ist Autor des Buches „Fluoroquinolone-Associated Disability FQAD: Pathogenese, Diagnostik, Therapie und Diagnosekriterien" [1].
FQAD Support: Eine Gruppe erfahrener Betroffener bietet kompetente Beratung zu FQAD. Gemeinsam mit Patienten und Patientinnen werden Behandlungsoptionen reflektiert und koordiniert, geeignete Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten besprochen sowie Kontakte zu geeigneten Ärzten, Therapeuten und Anwälte vermittelt. Damit können sich Betroffene ganz auf ihre Genesung konzentrieren [2].
Beurteilung der Eignung von Fachärzten im Bereich FQAD
Die folgenden Beschreibungen zur Eignung verschiedener medizinischer Fachbereiche für Diagnose und Behandlung von Fluorchinolon-(FC)-induzierten Erkrankungen beruhen auf den Erfahrungen zahlreicher Betroffener und sind daher subjektiv. Sie sollen einen Überblick geben, wo Chancen und Risiken liegen.
Rheumatologie: Nach den Berichten vieler Betroffener ist die Rheumatologie selten hilfreich. Sie konzentriert sich überwiegend auf klar nachweisbare, entzündliche Erkrankungen, die anhand einfacher Marker diagnostiziert werden können. Nicht-entzündliche Krankheitsbilder sind häuft nicht diagnostizierbar und aus medizinischer Sicht somit nicht existent. Zudem werden Betroffene oft falsch mit Cortison oder NSAR behandelt, was die Symptome deutlich verschlimmern kann. Obwohl FQAD eigentlich in den rheumatologischen Zuständigkeitsbereich fallen sollte, bestreiten viele Rheumatologen und Rheumatologinnen den Zusammenhang zwischen Fluorchinolon-Einnahme und den auftretenden Beschwerden.
Orthopädie: Spätestens bei Sehnenrissen oder gravierenden Knorpelschäden führt kein Weg am Orthopäden vorbei. Oft eilt den Orthopäden der schlechte Ruf voraus, sie würden sich nicht für die Ursache einer Ruptur interessieren. Die Erfahrung aber zeigt, dass gerade Orthopäden, die Erfahrung haben in der operativen Behandlung von FC-geschädigten Sehnen, sehr kritisch gegenüber dem Thema eingestellt sind. Denn durch FC beschädigtes Sehnengewebe unterscheidet sich in seiner Struktur und Elastizität grundlegend von gesundem Gewebe. Und das hat einen Einfluss auf die Reparaturfähigkeit einer Sehne. Denn oft lassen sich FC-geschädigte Sehnen auch nicht mehr operieren.
Immunologie / Dermatologie: Plötzlich auftretende Hautläsionen und -Veränderungen sind oft die einzigen objektiv wahrnehmbaren Befunde bei einer FC-induzierten Erkrankung. Diese können unterschiedliche Erscheinungsformen haben. Zu den häufigsten Formen gehören: Petechien (stecknadelgrosse Blutungen), Pusteln, Hautentzündungen und Ekzeme. In den meisten Fällen können die Dermatosen nicht einer Grunderkrankung wie Diabetes zugeordnet werden. Häufig treten die Hauterkrankungen zeitgleich mit den Sehnen- und Nervenschmerzen auf. Auch findet man solche Hautveränderungen oft im umliegenden Hautgewebe der betroffenen Sehnen. Somit kann man davon ausgehen, dass es sich in vielen Fällen um eine sekundäre Reaktion handelt als Folge einer FC-induzierten Vaskulitis oder Mikroverletzungen im Sehnengewebe. Auch Autoimmun-Reaktionen sind nicht auszuschliessen. Wenn immer möglich sollte beim wiederholten Auftreten solcher Hautreaktionen ein Immunologe oder Dermatologe aufgesucht werden. Wichtig ist auch eine saubere bildliche und schriftliche Dokumentation der Befunde.
Neurologie: Obwohl zahlreiche Studien und auch die FDA seit August 2013 auf die Gefahr von neuropathischen Beschwerden und schweren Nervenschäden hinweisen, wird diese Tatsache von den meisten Neurologen ignoriert und aberkannt. Da es sich bei FC-induzierten Nervenschäden im Gegensatz zu Autoimmunerkrankungen um nicht-entzündliche neurologische Schädigung handelt, sind diese nur schwer nachzuweisen. So zeigen die in der Neurologie angewendeten Standard-Marker und -Untersuchungen oft keine Ergebnisse (z.B. Knochenmarkpunktion). Nicht selten kommt es zu Verlegenheitsdiagnosen wie Multiple Sklerose (MS) oder Fibromyalgie aufgrund der Übereinstimmung der Symptome. Nur in Einzelfällen können Nervenschäden in einer Hautbiopsie festgestellt werden [3]. Die Konsultation einer Neurologin oder eines Neurologen macht deshalb nur Sinn zwecks Ausschlusses anderer neurologischer Erkrankungen.
Pharmakokinetik: Diese Disziplin beschäftigt sich mit der Frage, wie der Körper mit Arznei- und Giftstoffen in Abhängigkeit von individuellen genetischen Faktoren umgeht. Es ist medizinisch nachgewiesen, dass Fluorchinolone eine hemmende Wirkung auf die Metabolisierung und somit auf den Um- und Abbau von Arzneistoffen haben kann. Neueste Erkenntnisse lassen sogar vermuten, dass Fluorchinolone die Fähigkeit des Körpers, Giftstoffe abzubauen und auszuscheiden, nachhaltig beeinträchtigen können. Diese könnte ein Grund sein für verschiedene Überempfindlichkeiten und Unverträglichkeiten, unter welche Betroffene nach der Einnahme von Fluorchinolone leiden. Ob eine genetisch bedingte Einschränkung der Fähigkeit zur Verstoffwechselung von Medikamenten (CYP450) Grund für eine erhöhte Anfälligkeit für FC-bedingte Nebenwirkungen wäre, ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Bisher wurde angenommen, dass Fluorchinolone unverändert über die Niere in den Urin abgesondert werden. Somit hätte eine eingeschränkte Metabolisierungkapazität keinen Einfluss. Die Anfälligkeit für FC-induzierte Erkrankungen muss somit andere genetisch bedingte Ursachen haben. Ungeachtet dieser Erkenntnis empfiehlt sich eine pharmakokinetische Abklärung entweder direkt bei einem Spezialisten für personalisierte Medizin oder über im Internet vertriebene DNA Tests bekannter Anbieter.
Augenärztliche Abklärung: Bei Betroffenen mit Sehstörungen ist ein Besuch beim Augenarzt ratsam. Netzhautschäden durch Fluorchinolone sind wissenschaftlich belegt und werden auch in Beipackzetteln erwähnt. Netzhautablösungen oder -risse können durch die Zerstörung kollagener Fasern im Glaskörper entstehen. Wird eine Schädigung nachweislich auf eine FC-Therapie zurückgeführt, sollte dies im Arztbericht vermerkt werden.
Kardiologie: Viele Kardiologinnen und Kardiologen kennen die Risiken von Fluorchinolonen im Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen, insbesondere die Verlängerung des QT-Intervalls und das daraus resultierende Risiko ventrikulärer Arrhythmien.
Alternativ- und Umweltmedizin: Grundsätzlich spricht nichts gegen alternative Therapieansätze, sofern sie frei von Nebenwirkungen sind. Sie können Symptome lindern und die körpereigene Regeneration unterstützen. Allerdings gibt es kein „Wundermittel“ oder ganzheitliches Verfahren, das FQAD heilen kann – auch wenn manche Heilpraktiker oder Naturheiler dies Betroffenen suggerieren. Im Gegenteil: Manche Methoden wie Ausleitungsverfahren, Bluttherapien, IV-Therapien oder tiefgreifende osteopathische Eingriffe können Beschwerden sogar verschlimmern. Ebenso ist bei Stammzellentherapien Vorsicht geboten, da viele Betroffene damit negative Erfahrungen gemacht haben. Entscheidend ist stets, dass die Behandelnden die Wirk- und Nebenwirkungsmechanismen von Fluorchinolonen kennen. Sinnvoll kann die orthomolekulare oder Umweltmedizin sein, wenn es darum geht, die Entgiftungskapazität des Körpers anhand enzymatischer Faktoren zu testen.