Fluorchinolone
Nebenwirkungen
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Was sind Fluorchinolone
Wirkmechanismus
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​Fluorchinolone (Gyrasehemmer) wirken, indem sie bakterielle Topoisomerasen II (DNA-Gyrase) und IV hemmen. Diese Enzyme entspannen verdrillte DNA-Stränge, um die DNS-Synthese und Zellteilung zu ermöglichen. Durch die Hemmung stoppen Fluorchinolone zunächst die Zellteilung (bakteriostatische Wirkung) und führen schliesslich zum Absterben der Bakterien (bakterizide Wirkung).
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Dieser Wirkmechanismus könnte auch die Ursache einiger Nebenwirkungen erklären: Die bakterielle Topoisomerase II ist strukturell mit der menschlichen Topoisomerase II verwandt, die für die mitochondriale Zellproduktion essenziell ist. Hohe Konzentrationen von Fluorchinolonen könnten auch menschliche Topoisomerasen hemmen [1], was eine zytotoxische [2] und klastogene [3] Wirkung auslösen kann – wie Studien belegen. Praktisch bedeutet dies: Ein chemotherapieähnlicher Effekt bei der Behandlung eines simplen Verdachts auf Blasenentzündung.
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Chemische Struktur
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Fluorchinolone unterscheiden sich durch ihre Substituenten, insbesondere den Fluor-Substituenten an Position 6 des Chinolonrings, der ihre antibakterielle Wirksamkeit und Penetration deutlich steigert. Allen Gyrasehemmern gemeinsam ist eine heterocyclische Struktur mit einem Stickstoffatom (Position 1), einer Carboxygruppe (Position 3) und einer Ketogruppe (Position 4).
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Das Carbonyl der Carboxygruppe ermöglicht die Bindung von zwei- oder dreiwertigen Kationen wie Magnesium, Eisen und Zink. Dadurch können Fluorchinolone enzymatische und epigenetische Prozesse beeinflussen – eine Eigenschaft, die ihre vielseitigen, aber auch potenziell problematischen Wirkungen erklärt.
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In der Humanmedizin eingesetzte Fluorchinolone
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Auf dem Markt gibt es zahlreiche Fluorchinolone mit unterschiedlichen Wirkspektren, darunter Enofloxacin, Norfloxacin, Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin und andere. Sie werden unter verschiedenen Handelsnamen und in unterschiedlichen Formen angeboten, wobei der Handelsname oft nicht den Wirkstoff erkennen lässt.
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Patientinnen und Patienten sollten daher vor der Einnahme eines Antibiotikums stets den Beipackzettel prüfen. Besonders kritisch ist dies bei bekannten Unverträglichkeiten: Häufig wird trotz bekannter Reaktionen auf Ciprofloxacin ein anderes Fluorchinolon verschrieben – ein Fehler, der schwerwiegende und potenziell lebensbedrohliche Folgen haben kann.
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Indikationen
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Fluorchinolone sollten gemäss Richtlinien als Watchlist-Antibiotika [4] nur bei spezifischen Indikationen und als Mittel der zweiten Wahl eingesetzt werden. Dennoch werden sie häufig bei unkomplizierten Infektionen der Atem- und Harnwege verschrieben – ein Vorgehen, das den Empfehlungen der europäischen Arzneimittelagentur (5), ärztlicher Fachverbände [6] und Herstellerwarnungen (7) widerspricht.
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Am 30. April 2019 hat das BfArM die Zulassung für Fluorchinolone bei vielen allgemeinmedizinischen Indikationen widerrufen [8], etwa bei unkomplizierten Infektionen. Laut aktuellen Leitlinien sollten sie nur in folgenden Fällen verordnet werden:
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Schwere und komplizierte Infektionen der Harn- und Atemwege oder anderer Organe, wenn ein Antibiogramm Resistenzen gegen primäre Antibiotika nachweist.
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Krankenhauskeime, lebensbedrohliche Sepsis oder Meningitis.
Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über den gezielten und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika, insbesondere Fluorchinolonen!
Kontraindikationen
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Tierversuche an jungen Hunden haben gezeigt, dass Fluorchinolone das Knorpelwachstum beeinträchtigen können [9]. Daher sollten sie nicht bei Kindern im Wachstumsalter, in der Schwangerschaft oder Stillzeit angewendet werden – auch nicht äusserlich, etwa als Augen- oder Ohrentropfen.
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Aufgrund ihrer Ausscheidung über die Nieren sind Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion anfälliger für Nebenwirkungen. Zudem spielt die individuelle Entgiftungskapazität der Leber und anderer Organe eine entscheidende Rolle bei der Toxizität von Fluorchinolonen.
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In den USA wird aktuell nach genetischen Markern geforscht, um die individuelle Anfälligkeit für Fluorchinolon-bedingte Erkrankungen besser bewerten zu können.
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Die gleichzeitige oder zeitlich versetzte Einnahme von Kortison – unabhängig von der Darreichungsform – erhöht laut Studien [10] das Risiko für Sehnenrisse und andere Fluorchinolon-bedingte Symptome erheblich. Zudem kann die Kombination mit einem nichtsteroidalen Antirheumatikum (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac Beschwerden im zentralen Nervensystem verstärken [11].