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Fluorchinolone

Nebenwirkungen

Eine Hilfeseite - Verein VFCN 

Diagnostik von Fluorchinolon-assoziierten Sehnenschmerzen

Die Diagnostik von Sehnenerkrankungen wird primär klinisch, d.h. durch die körperliche Untersuchung beim Arzt unter Beihilfe geeigneter Bildgebung gestellt.

Symptome der Fluorchinolon-induzierten Tendinopathie

Fluorchinolon-assoziierte Sehnenbeschwerden wurden in einem zeitlichen Rahmen von zwei Stunden bis hin zu sechs Monaten nach Exposition dokumentiert.


Dies bedeutet, dass die Beschwerden nicht sofort auftreten müssen. Zwar zeigen schätzungsweise 50-75% der Betroffenen innerhalb von 48 Stunden Beschwerden, jedoch gibt es auch einen beachtlichen Teil von Patienten, bei denen es einige Wochen oder Monate dauert oder die Beschwerden in diesem Zeitrahmen stetig zunehmen. Woher diese Latenz kommt, ist schwierig zu sagen. Eventuell kommt es im Bereich der Sehne unter physiologischer Tätigkeit aufgrund der eingeschränkten Regenerationsfähigkeit nach der Exposition zu Cipro, Levo & Co regelmässig zu Mikrorissen/-traumatas, welche dann über die Zeit zur Pathologie führen.

Das ausschlaggebende Symptome sind Schmerzen bei Belastung im Bereich der betroffenen Sehne. Diese Schmerzen können aber auch, wird die Belastung weitergeführt, währenddessen Abklingen und erst danach (stärker) auftreten. Mit der Zeit und weiterer Aktivität wird der Schmerz grösser und sportliche Aktivitäten sind mehr und mehr eingeschränkt. Schlussendlich sind auch leichte Aktivitäten schmerzhaft oder die Schmerzen sind auch in Ruhe vorhanden. Ein weiteres typisches Symptom ist ein „Gefühl von Steifheit“ oder „verminderter Elastizität“ der Sehne am Morgen vor dem Aufstehen oder nach Ruhigstellung.


Oft wird in der Beratungstätigkeit des Verein betont, dass die Sehnen sich komplett anders anfühlen, so als wären sie wie ein Stück „morsches Holz“. Häufig treten isoliert Schmerzen ohne klassische Entzüngungszeichen wie Überwärmung, Rötung und Schwellung auf. Im Vergleich zur Häufigkeit von Sehnenschmerzen treten Rupturen eher selten auf. Von 100 Betroffenen in der Beratungstätigkeit mit Sehnenbeschwerden leiden über 50% an mittelschweren bis sehr schweren, einschränkenden Sehnenschmerzen. Eine stattgefundene Ruptur ist anamnestisch hingegen nur bei einer geringer Anzahl Betroffener zu finden (ca. 5%).


Bildgebung

Ultraschall und MRT sind die häufigsten Bildgebungen, die bei Patienten mit Sehnenschmerzen durchgeführt werden. Eine MRT oder ein diagnostischer Ultraschall können hilfreich für die Diagnostik sowie für die Feststellung des Schweregrades der Sehnenerkrankung sein.

Sonografische Untersuchungen von Sehnenstörungen durch Fluorchinolone können typische degenerative Veränderungen der Sehne wie eine Verdickung und Hypoechogenität aufzeigen.

Häufig stimmen die Befunde aus der Bildgebung jedoch nicht mit der Klinik, also der Symptomatik der Patienten, überein. Dies kommt auch bei anderen muskuloskelettalen Erkrankungen, wie beispielsweise der Osteoarthritis oder bei einem Bandscheibenvorfall vor. Bis zu 59 % der Sehnen mit pathologische Veränderungen, wie das Vorhandensein von Blutgefässen (Neovaskularisierung), eine Verdickung der Sehne mit erhöhtem Wassergehalt, und eine Disorganisation der kollagenen Fasern sind klinisch stumm, verursachen also keinerlei Beschwerden.

Insgesamt bedeutet dies, dass nicht jede Pathologie in einer Bildgebung die Ursache für Schmerzen ist. Ebenso kann eine unauffällige Sehne in einer Bildgebung die Ursache für Schmerzen sein.

Eine Theorie für die Schmerzen bei Sehnenerkrankungen ist die Neovaskularisierung, welche häufig mit dem Einsprießen von Nervenfasern einhergeht. Es gibt jedoch auch Untersuchungen, die zeigen konnten, dass Neovaskularisierungen in asymptomatischen Sehnen vorhanden sein können. Das Fazit war, dass die gebildeten Blutgefässe und Nervenfasern nicht die primäre Ursache des Schmerzes seien.

Die schmerzende Sehne ist also nicht alleine durch lokale Gewebsveränderungen zu definieren, sondern im Zusammenhang mit der Interaktion zwischen dem lokalen Gewebe und dem peripheren und zentralen Nervensystem zu betrachten.

Der Bildgebung kommt noch eine ganz andere Bedeutung zu: Die Diagnostik von Pathologien um die Sehne herum, wie eine Sehnenscheidenentzündung oder Schleimbeutelentzündung, da jenes auf die optimale Therapie einen Einfluss hat. Häufig sieht man bei Fluorchinolon-assoziierten Sehnenschmerzen eine Entzündung um das Sehnengewebe herum (Paratendinitis). Wieso diese chronischen Paratendinitiden entstehen, ist bisher unklar. Hat sich die Eigenschaft der Sehne so verändert, dass sie zu einer leichten, chronischen Irritation des umliegenden Gewebes führt?

Neuere radiologische Methoden für die Diagnostik von Sehnenerkrankungen, wie die Sonoelastographie, bei welcher die relative Elastizität der Sehne gemessen wird, werden in der Klinik leider kaum benutzt. Ein Versuch eine Elastografie der Sehne in der Schweiz zu erhalten, erwies sich als unmöglich, da es anscheinend bisher nicht genügend Daten gibt, um eine Abweichung der Elastizität von der Norm feststellen zu können. Die Untersuchung wird bisher lediglich im Rahmen von Studien verwendet (Stand September 2023). Untersuchungen zeigen jedoch, dass bei Sehnenerkrankungen bei der Elastografie eine bessere Korrelation zwischen Befund und Klinik vorhanden ist.5

Welche Bildgebung bei Fluorchinolon-assoziierten Sehnenschmerzen?


Röntgen

Die Röntgenuntersuchung dient bei Schmerzen im Bereich einer Sehne lediglich zum Ausschluss von knöchernen Veränderungen der umliegenden Strukturen. Der Befund ist meistens unauffällig.6 Bei Fluorchinolon-assoziierten Sehnenschmerzen sind Röntgenuntersuchungen meist nicht zielführend.

Sonografie

Im Ultraschall lassen sich Sehnenscheidenentzündungen aber auch Veränderungen der Sehne zum Teil nachweisen. Mögliche Befunde sind eine Veränderung der Synovia oder der Sehne.6 Die Sonografie kann als günstige Alternative zum MRT bei Fluorchinolon- assoziierten Sehnenerkrankungen sinnvoll sein. Es ist wichtig, zu beachten, dass die Sonografie eine sehr grosse untersucherabhängige Spezifität und Sensitivität im Vergleich zur anderen Modalitäten hat.


Anmerkung: Unser Verein prüft derzeit im Rahmen einer Patientenstudie und akademischen Zusammenarbeit die Eignung des computergestützten “Ultrasound Tissue Characterization” (UTC) Verfahrens zur systematischen Diagnose von Fluorchinolone assoziierten Sehnenbeschwerden.

MRT

Das MRT ist primär bei einem chronischen Verlauf indiziert. Dabei können auch gleichzeitig pathologische Veränderungen der Muskulatur oder Gelenksbinnenveränderungen dargestellt werden. 6 Es ist die Untersuchung der Wahl bei Fluorchinolon-assoziierten Sehnenerkrankungen, primär um Pathologien der umgebenen Strukturen, degenerative Veränderungen sowie (Teil- )Rupturen auszuschliessen.

Elastografie

Erfahrungsgemäss sind MRT- und Ultraschall-Untersuchungen im Kontext der Fluorchinolon- assoziierten Sehnenschmerzen meistens unauffällig. Interessant wäre hier eine Diagnostik mit der Elastografie der Achillessehne zur Quantifizierung der Elastizität der Sehne bei FQAD-PatientInnen. 3 Häufig wird von PatientInnen berichtet, dass Sehnen sich weniger elastisch anfühlen. Wie beschrieben kommt es nach Exposition mit einem Fluorchinolon-Antibiotikum zu einer Verminderung von Elastin in Sehnengewebe. Ob dies die Ursache für die Reduktion der Elastizität darstellt, ist jedoch unklar. Aktuell wird die Elastografie, wie beschrieben, leider lediglich für Forschungszwecke benutzt.

Labordiagnostik bei Fluorchinolon-assoziierten Sehnenschmerzen

Im Labor findet man lediglich bei Verdacht auf entzündliche Genese (z.B. Rheuma) Veränderungen von Entzündungsparametern wie das C-reaktive Protein oder einen Nachweis von Antikörpern.6 Zur Diagnose Fluorchinolon-assoziierten Sehnenschmerzen ist die Labordiagnostik sinnvoll, jedoch ohne Befund.

Sehnenerkrankungen unter dem Mikroskop

Histologisch gesehen zeigen Tendinopathien ein Bild von gestörter Regeneration ohne Entzündungszellen, nicht-entzündliche Kollagendegeneration, Disorientation, Verdünnung von Kollagenfibrillen, eine Hyperzellularität sowie einwachsende, nicht funktionale Blutgefässe.

Histologische Untersuchungen zeigen bei Fluorchinolon-assoziierten Sehnenerkrankungen ähnliche Veränderungen wie bei Over-use Injuries, also bei Verletzung durch ständig wiederholende supraphysiologische Belastung. Unter anderem kommt es histologisch zu abnormaler Struktur der Fibrillen, fibrotischen Bereichen sowie Neovaskularisierung der Sehne. Dies geschieht mit dem bedeutsamen Unterschied, dass diese degenerativen Veränderungen deutlich schneller eintreten als bei nicht Fluorchinolon-assoziierten Tendinopathien.

Fazit

Die Diagnostik der Fluorchinolon-assoziierten Sehnenschmerzen sollte primär klinisch erfolgen. Eine Bildgebung kann sinnvoll sein, jedoch zeigen interessanterweise die Mehrheit der Betroffenen mit Sehnenschmerzen nach der Einnahme von Fluorchinolon-Antibiotika wenige bis keine Veränderungen im MRT oder im Ultraschall. Häufig sieht man lediglich eine leichte Entzündung um das Sehnengewebe herum (Paratendinitis). Dies stellt einen starken Kontrast zum häufig extrem eingeschränkten Patienten dar. Leider hat dies zumeist zur Folge, dass der Patient vom behandelnden Arzt weniger ernst genommen wird oder suboptimale Therapieempfehlungen abgegeben werden, wie z.B. „durch den Schmerz durchzugehen“, da die Sehne im MRT oder Ultraschall „gesund“ aussehe. Die Schwierigkeit der Darstellung der oft stark limitierenden Sehnenschmerzen in der Bildgebung bringt erneut die Frage auf, ob die Schmerzen durch eine reine Sehnenpathologie entstehen oder durch eine Interaktion des Sehnengewebes mit den peripheren und zentralen Nervensystem, ähnlich dem Krankheitsbild CRPS (Chronic Regional Pain Syndrome), welches nach Verletzungen auftreten kann. Davon klar abzugrenzen ist der Anteil Betroffener, bei welchen eine Ruptur oder Tendninosis nachweisbar ist. Wie beschrieben wäre eine Studie mit einer Elastografie von Sehnen nach Fluorchinolon-Gabe interessant, um der Antwort auf diese Fragen näher zu kommen.

Frage: Degeneration vs. Entzündung hier oder wo anders? Marco Karrer B.Med Co-Authoring: Andrea Gall (Syntax), Ferdinand Dirsch (SEO, Translation), Patrick Horisberger (Content), Michael Rosar (Content) First Publication: 28.05.2023 Quellen:

  • Fluoroquinolone-Associated Tendinopathy: A Critical Review of the Literature; Yasmin Khaliq, Geroge G. Zhanel

  • Musculoskeletal Complications of Fluoroquinolones: Guidelines and Precautions for usage in the Athletic Population; Mederic M Hall, Jonathan T Finnoff, Jay Smith

  • Fluroquinolone-associated Disability FQAD: Pathogenese, Diagnostik, Therapie und Diagnosekriterien; Stefan Pieper

  • Pathogenesis of tendinopathies: inflammation or degeneration? Michele Abate et al.

  • Tendinopathy: Is Imaging Telling Us the Entire Story? Sean I. Docking, Chin Chin OOI, David Connel

  • https://www.amboss.com/de/wissen/Tendinopathie


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