top of page

Fluorchinolone

Nebenwirkungen

Eine Hilfeseite - Verein VFCN 

Teil 4 - Veschreibungspraxis von Fluorchinolon-Antibiotika

Aktualisiert: 19. Apr. 2021


Der Verein zur Aufklärung über die Nebenwirkungen von Fluorchinolon-Antibiotika (FC) initiierte im Jahre 2019 eine Online-Patientenbefragung mit dem Ziel, die Zusammenhänge zwischen der Einnahme von FC und deren Nebenwirkungen besser zu verstehen. Die Umfrage richtete sich ausschliesslich an Patienten mit schweren und/oder dauerhaften FC-Nebenwirkungen. Die Betroffenen wurden vorwiegend über einschlägige soziale Foren zur Teilnahme an der Befragung eingeladen. Es nahmen insgesamt 262 betroffene Patienten aus dem deutschen und französischen Sprachraum an der Befragung teil.


Die Ergebnisse und Auswertungen der Befragung sollen in regelmässig erscheinenden Blog-Beiträgen auf dieser Webseite publiziert und diskutiert werden. Im folgenden Beitrag geht es um die Verschreibungspraxis von Fluorchinolon-Antibiotika. Im Zentrum der Analyse steht die Frage, bei welchen Indikationen FC hauptsächlich verordnet werden und von wem?


Blog als PDF-Datei herunterladen [PDF]


Indikationen für die Fluorchinolon-Therapie


Offizielle Indikationen für die Verordnung von Fluorchinolon-Antibiotika


Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Deutschland widerrief im April 2019 die Zulassung für Fluorchinolon-Antibiotika für eine Vielzahl von Indikationen. Das BfArM lässt Wirkstoffe aus der Gruppe der Fluorchinolone seither nur noch bei schweren bakteriellen Infektionen zu. Nicht mehr eingesetzt werden sollten Fluorchinolone bei leichten Infekten. Diese Neubewertung erfolgte auf Grundlage der Risikobeurteilung von allen in der EU zugelassenen Chinolonen und Fluorchinolonen durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Diese warnte vor einem erhöhten Risiko für lang anhaltende und beeinträchtigende Nebenwirkungen im Bereich Muskeln, Gelenke und Nervensystem. Die Neubewertung des BfArM fiel zeitlich zusammen mit der Publikation des Rote-Hand-Briefes vom 8. April 2019, worin die Pharma-Hersteller vor lang anhaltenden und möglicherweise irreversiblen Nebenwirkungen durch Fluorchinolon-Antibiotika warnten. Der Rote-Hand-Brief wurde an alle Ärzte und Apotheken in ganz Deutschland verschickt. Die darin formulierten Richtlinien sind eindeutig: Bei leichten und harmlosen Infekten wie Blasenentzündung, Bronchitis und Nebenhöhlenentzündungen sollen keine Fluorchinolone verordnet werden. Eine Behandlung mit Fluorchinolonen ist ebenfalls nicht indiziert zur Prävention von Reisediarrhoe oder rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege. Neben Arzneimittelbehörden schränken auch Fachverbände wie die European Association of Urology die Indikationen für Fluorchinolone weiter ein. So sollen Fluorchinolone nicht mehr als First Line Therapie bei einer chronischen Prostatitis verwendet werden.


Als Folge dieser Neubewertung wurde im Rahmen der Patienten-Befragung untersucht, ob sich die Verschreibungspraxis seit der Publikation dieser Richtlinien verändert hat.



Indikationen für Fluorchinolone-Therapie bei betroffenen Patienten vor April 2019


42% aller befragten FQAD-Patienten, die vor April 2019 ein Medikament aus der Familie der Fluorchinolone verordnet bekamen, nannten eine unkomplizierte Harnwegsinfektion als Grund für die Fluorchinolon-Einnahme. Nur halb so viele Patienten (21%) bekamen das Antibiotikum zur Behandlung einer Atemwegsinfektion. Prostatitis wurde mit 8% aller Verordnungen als dritthäufigste Indikation genannt, gefolgt von Divertikulitis (5%) sowie anderen gastrointestinalen Infektionen (4%).






Indikationen für Fluorchinolone-Therapie bei betroffenen Patienten nach April 2019


Unter ausschliesslicher Berücksichtigung derjenigen Patienten, welche erst nach April 2019 ein Fluorchinolon-Antibiotikum verordnet bekamen, ist mit 45% die unkomplizierte Harnwegsinfektion ebenfalls die am häufigsten genannte Indikation. Dahinter folgen mit 14% Verordnungen zur Behandlung von Prostatitis und mit 12% bei Atemwegsinfektionen.






Fazit


Die Entwicklung der Indikationen offenbart, dass weder der Rote-Hand-Brief noch die Risikobewertung des BfArM die Verschreibungspraxis der Ärzte positiv beeinflussten. Im Gegenteil: Fluorchinolon-Antibiotika werden immer noch mehrheitlich bei unkomplizierten und somit nicht indizierten Infekten verordnet. Zwar sagt die Auswertung der Patienten-Befragung nur wenig über die absolute Zahl der Verordnungen und deren Entwicklung aus. Dennoch bestätigen die Zahlen, dass bei einem Grossteil der betroffenen und teilweise schwer geschädigten Patienten keine eindeutige Indikation für eine Fluorchinolon-Therapie vorliegt. Ärzten scheint das Risiko von schwerwiegenden Nebenwirkungen nach wie vor nicht bewusst zu sein. Anders lassen sich diese Zahlen nicht erklären. Ansonsten muss in diesen Fällen grob fahrlässiges Handeln angenommen werden, bei denen eine Einschränkung der Lebensqualität oder nachhaltige Schädigung der Patienten bewusst in Kauf genommen werden. Es handelt sich hierbei um schwerste physische und psychische Schädigungen, die bei Befolgung der Richtlinien hätten vermieden werden können. Leider aber bleiben diese Behandlungsfehler ohne juristische Folgen für die Ärzte. Solange von den Behörden keine strengeren Kontrollen zur Einhaltung dieser Richtlinien eingeführt werden, sind solche Warnungen ein wirkungsloses Instrument zur Vermeidung von schwerwiegenden Nebenwirkungen.



Von welchen Ärzten werden Fluorchinolone verordnet?


Angesichts ihres Status als Reserveantibiotika und Last-Line-Anwendung gegen schwere und lebensbedrohliche Infektionen erwartet man den Einsatz von Fluorchinolonen vor allem in Krankenhäusern. Denn es gilt der Grundsatz, dass Reserveantibiotika nur nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung und als letzte Therapieoption eingesetzt werden sollten. Man spricht deshalb nicht umsonst von Panzerschrank-Antibiotika. Umso mehr erstaunen die Ergebnisse der Patienten-Umfrage, wonach 50% aller Fluorchinolon-Therapien von Hausärzten verordnet wurden. Während 35% der Verordnungen von spezialisierten Ärzten (z.B. Urologen, Dermatologen, etc.) ausgestellt wurden, spielten die Krankenhäuser nur eine untergeordnete Rolle (14%). Auch wenn seit April 2019 eine Verlagerung der relativen Zahl der Verordnungen von den Hausärzten zu den Krankenhäusern festzustellen ist, ist die Zahl der hausärztlichen Verordnungen aus Sicht der Initianten der Umfrage nach wie vor zu hoch. Zusätzlich belastend erweist sich die Tatsache, dass Fluorchinolone in den meisten Fällen als First-Line-Antibiotika von Hausärzten eingesetzt wurden.






Durchführung von Empfindlichkeitsprüfungen


Fluorchinolone sollten gemäss ärztlicher Leitlinien nur nach erfolgter Empfindlichkeitsprüfung angewendet werden. Mit Hilfe eines Antibiogramms wird die Empfindlichkeit der kulturell nachgewiesenen Erreger geprüft. Die Durchführung eines Antibiogramms sollte letztendlich Voraussetzung sein für jede Therapie mit einem Reserveantibiotikum, es sei denn der gesundheitliche Zustand des Patienten verlangt eine sofortige und unmittelbare Behandlung.


Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Berichte zahlreicher Betroffener, wonach selbst auf Wunsch der Patienten keine Empfindlichkeitsprüfungen von den Hausärzten durchgeführt wurden. Lediglich bei 7% aller hausärztlichen Verordnungen und 3% aller Behandlungen in den Krankenhäusern wurde davor ein Antibiogramm durchgeführt. Nur bei den spezialisierten Ärzten (20%) scheint die Durchführung einer Resistenzprüfung eher zur Verordnungspraxis zu gehören.




Auch nach April 2019 hat sich die Verschreibungspraxis nicht nachweislich verändert. In 88% aller Fälle wurden Fluorchinolone ohne vorangehende Resistenzprüfung von Hausärzten verordnet. Noch schlimmer stehen die Krankenhäuser da, in welchen Empfindlichkeitsprüfungen womöglich auch aus Gründen der Dringlichkeit in keinem Fall durchgeführt wurden.



Blog als PDF-Datei herunterladen [PDF]




Comments


bottom of page